12. ERFURTER SCHMUCKSYMPOSIUM

Brune BOYER-PELLEREJ, Helen BRITTON, Laura DEAKIN, Nina KLATT-STARKE, Rudolf KOCÉA, Jun KONISHI, Felix LINDNER, Suska MACKERT, Marc MONZÓ, Adolfas SÂULYS — Ausstellung: Kunsthalle Erfurt, Renaissancesaal | Haus zum Roten Ochsen | Erfurt

Mit freundlicher Unterstützung durch die Kulturdirektion der Stadt Erfurt, das Thüringer Kultusministerium, die Kulturstiftung des Freistaats Thüringen und den Erfurter Kunstverein.

Unkonventionelles Herangehen an den Schmuckbegriff und kreativer Umgang mit alternativen Werkstoffen – seit jeher Markenzeichen des Erfurter Schmucksymposiums, nicht nur aus der Not geboren, sondern vor allem aus einem aufmüpfig gefärbten Spieltrieb und ebenso lange auch immer wieder produktiv umstritten in der Rezeption (Ist denn das noch Schmuck? Dürfen die denn das?) – prägen auch die Resultate des diesjährigen Treffens ost-, west- und außereuropäischer Schmuckkünstler.

BRUNE BOYER-PELLEREJ (Frankreich) zelebriert im leer bleibenden Spiegel eines großzügig herben Gemmenrings (»Gold gab ich für Eisen …«) ein Versprechen auf künftige Visionen von Gesichtern, die allein unser Gedenken aus den Bildwelten der Vergangeheit heraufbeschwört.

HELEN BRITTON (Australien/Deutschland und Erfurter Stadtgoldschmiedin 2007) erzählt in Fotos und einem Arrangement filigraner Sticker ein melancholisches Märchen von Verlust, Trauer und Sehnsucht – als Gleichnis für eine Politik, die den einfachen Menschen täglich in tragische Schicksale stürzt und sich selbst daneben ungerührt mit den funkelnden Insignien ihrer Macht schmückt.

LAURA DEAKIN (Australien) gräbt skizzenhafte Erinnerungsspuren längst vergangener Ereignisse in bruchstückartige Scheiben aus Polyesterspachtel für Ohr- und Halsschmuck – Adlerfedern, Epauletten, Orden weisen auf verflossenen Ruhm – sic transit gloria mundi.

NINA KLATT-STARKE (Deutschland) thematisiert in ihren Ketten die Kluft zwischen Prunk und Armut, Überleben und Sterben, Siegern und Verlierern von Politik durch das Nebeneinander von Edelsteinbündeln und aus dunklem Silber geformten Samenkapseln – Assoziationen zu Munition sind kein Zufall.

RUDOLF KOCÉA (Deutschland) ziseliert und schneidet überlieferte Symbole und Bilder der Begegnungen von welthistorischer Bedeutung mittels Relief- und Ajourverfahren für schwere Armreifen in massives Silber, begleitet von winzigen satirischen Porträtbüsten der Beteiligten – ironische Steckbriefe von Tätern?

JUN KONISHI (Japan) stürzt mit Orden aus Abfluss-Stöpseln den militanten Ehrbegriff vom Sockel, belustigt sich über das hergebracht theatralische Begrüßungszeremoniell zweier kettenverbundener Plast-Mickymäuse (Goethe & Napoleon?) und nimmt die nahrhaften Machtinsignien des okkulten Thüringer Königtums Bratwurst und Brötchen (Zepter & Reichsapfel?) aufs Korn.

FELIX LINDNER (Deutschland) spürt den Schatten der Vergangenheit in fein gravierten Initialen von historischer Provenienz, doch seit Jahrhunderten verschollener Identität nach, in ihrem repräsentativen Anspruch nivelliert durch funktionale synthetische Werkstoffe der Neuzeit.

SUSKA MACKERT (Deutschland) reflektiert Schmuckanlässe und -situationen, um daraus Schmuckinszenierungen zu entwickeln: Aus Fotos zeitgenössischer Politikertreffen werden serviettenartig leicht vergängliche Papier-Kokarden gefaltet – ein Hutschmuck der französischen Revolution, den Napoleon durch Europa trug – und eine Buchinstallation akzentuiert den historischen Text durch ästhetisch und inhaltlich wohldosierte Erinnerungslücken.

MARC MONZÓ (Spanien) schneidet kostbare Goldbleche in bis zum Understatement schlichte Formen, die ihr an alte Ordenssterne erinnerndes sonnengleich brillantes Strahlen durch verhaltene Faltungen des edlen Materials erreichen.

ADOLFAS SÂULYS (Estland) zeigt an sensibel formulierten skulpturalen Objekten, auf deren Oberflächen Papiere aus antiquarischen Büchern einander Schicht um Schicht überlagern, dass die vermeintlichen Rosinen im Kuchen der Geschichte und der Politik wie Seifenblasen zu zerplatzen drohen, wenn sie sich unverhältnismäßig hohl aufblähen.


So weit, so gut. Oder ist das alles vielleicht doch ganz anders gemeint? Der Vorhang zu und alle Fragen offen? Und nun? Was tun?

Es gibt nur einen Weg: Ahoi, Freibeuter aller Länder – die Segel gesetzt, den Kompass auf Schatzkurs, den Blick aus den Tiefen der Geschichte auf den Horizont und das nächste Erfurter Schmucksymposium gerichtet und unbeirrt die Flagge der Kunst gehisst!

Dr. Jutta Lindemann, Kulturdirektion Erfurt, August 2008

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